Am Bankerl – mitten in Venedig

Rote Bänke laden zum Verweilen ein, kleine fast verwunschene Oase mitten in der Stadt, die schon fast zum Synonym für Overtourism geworden ist. Venedig macht mittlerweile wegen der Übermenge Touristen und den Kreuzfahrtschiffen von sich reden, die am Markusplatz anlegen und damit den prophezeiten Untergang der Stadt beschleunigen.

Stille Oase mitten in Venedig

Doch jetzt sitze ich auf einer kleinen Piazza auf einer dieser roten Bänke, neben mir auf einer anderen Bank zwei ältere Venezianerinnen, die sich unterhalten. Sonst ist kein Mensch da. Bis auf die Unterhaltung der beiden Damen und dem Gurren einiger Tauben ist es still. Eine dieser langbeinigen, schwarzen Katzen schreitet fast majestätisch im Hintergrund über den Platz. Die Wäsche an der Hausmauer tänzelt im Lüftchen, das gerade geht. Es ist Ende Oktober, die große Anzahl der Touristen findet sich hauptsächlich am Markusplatz, an der Rialto-Brücke und am Hafen, wo sie die Vaporetti (italienischer Plural) auch im Oktober noch zum Überquellen bringen.

eine rote, alte Bank steht auf einem kleinen Platz in Venedig

Aber hier auf diesem kleinen Platz ist es ruhig. Nichts von der touristischen Welt da draußen dringt herein. Verwunschen wirkt der Platz, eine kleine Anderswelt versteckt vor der Realität des Tourismus. Ich gebe mich einer gedanklichen Reise in die bewegte Vergangenheit dieser Stadt hin. Die Häuser sind alt, verwittert und haben sicher schon viel gesehen und gehört. Sie verkommen, die Feuchtigkeit der Lagunenstadt tut ihnen nicht gut und die Millionen von Besucher pro Jahr auch nicht besser. Aber sie wirken so elegant in ihrem Verkommen. Wenn ich an Venedig denke, denke ich an morbiden Charme, ein Ausdruck, der mir für sonst nichts einfällt.

eine rote alte Bank auf einem kleinen Platz mitten in Venedig

Vergänglichkeit oder Venedig sehen und sterben

Das Zitat „Venedig, sehen und sterben“ wird Thomas Mann zugeordnet. So weit ist es bei mir noch nicht. Und doch hat diese Stadt etwas an sich und dazu noch in dieser Jahreszeit, das mich wieder einmal über die Vergänglichkeit des Seins nachdenken lässt. Nichts ist für immer, alles hat irgendwann einmal ein Ende und wenn wir uns oft noch so wehren gegen das Loslassen (wahrscheinlich das verhassteste aller Worte).

rote Fassaden von Häusern auf dem Platz in Venedig, wo die Bänke stehen

Oktober, November die Monate des Endes – das Gefühl des Sommers schwindelt sich zwar noch in den einen oder anderen Tag mit fast sommerlichen Temperaturen und doch heißt es Abschied vom Sommer und all dem, wofür Sommer steht. Auch hier in Venedig.

Ich habe Glück, es ist noch einer dieser geschenkten Tage, an dem ich noch gut mit T-Shirt und leichter Hose unterwegs sein kann, wenn auch auf diesem Platz die Kühle des Herbstes schon Einzug hält und das Laub der Bäume auch schon verfärbt.

Nach dieser Pause mache ich mich wieder auf den Weg ins touristische Venedig, auch mitten in Venedig.

(Dieser Beitrag entstand am 20.10.2018 als es noch 20° in Venedig hatte. Das war vor diesen Unwettertagen!)

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