Türchen 4 von Grünraums Blog-Adventkalender 2019

Adventkalender mit verschneiter Schlittenszene mit einem Rentier.

Wieder ist ein Jahr vorbei und es ist schon eine liebgewordene Tradition von mir, bei der Adventgeschichte in 24 Teilen mitzuschreiben. Der Advent lebt von Ritualen und meine Teilnahme an dieser Idee gehört dazu. Vergangenes Jahr ging es um Mia, Monsta und eine fantasievolle Weihnachtsgeschichte

Dieses Jahr ist es  Grünraums Blog-Adventkalender 2019 und es geht um Henni. Wie sich die Geschichte entwickelt, steht noch in den Sternen bzw. hinter den Türchen des Adventskalenders.

Was bisher geschah (in kursiv):

Scheiß Verspätung immer!“, schimpfte Henni und trat von einem Bein auf das andere. Es war bereits dunkel und dazu noch typisch nasskaltes Dezemberwetter. Zu allem Überfluss hatte sie auch noch keine Zigaretten mehr. Ihre ehemals wasserfeste Winterjacke, ein Geschenk von Uwe, dem alten Haudegen, hatte ihre besten Jahre auch hinter sich.
„Ach Henni!“, seufzte sie. Nur ihre Mutter rief sie mit ihrem vollem Namen Henriette. „Wir sind schon ganz schön alt geworden, wir beide.“ Sie merkte gar nicht mehr, dass sie mit sich selbst sprach.
Der Junge, der neben ihr im Buswartehäuschen stand, schaute sie irritiert an. Sie zuckte mit den Schultern und entdeckte in dem Moment auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine beleuchtete Leiter, die an einen Baum gelehnt war.

„Junge, sieht du das auch?“, fragte sie. Er drehte demonstrativ seinen Kopf zur Seite. Henni seufzte erneut. Wo war sie nur hingegangen, die Phantasie der Menschheit, ihre Traumbereitschaft, ihr Wunsch, leuchtenden Leitern in den Himmeln zu folgen und dort wem auch immer zu begegnen. Sollte sie vielleicht noch einen Vorstoß wagen?

„Hast du mal eine Zigarette für mich?“ fragte sie vorsichtig den von ihr abgekehrten schmalen Rücken in seiner viel zu großen Felljacke. Ob er wohl glaubte, dass er eines Tages in diese Jacke hineinwüchse? Vielleicht führte die Leuchtleiter direkt zu seinem Ziel, dabei fiel Henni das Monopoly Spiel ein und den Spruch, den sie tausendmal zu Hause gesagt hat: „Gehen Sie direkt ins Gefängnis, gehen Sie nicht über Los!“

Der junge Mann drehte sich verwundert um…

Türchen 3:

Er zog den Stöpsel des In-ear-wireless-Kopfhörers aus seinem linken Ohr – Henni sah, dass seine Ohrmuschel sehr groß und an den Rändern ganz rot vor Kälte war.

“Wie bitte?”, fragte der Junge mit den großen Ohren. Henni führte ihre zwei zigarettenlosen Finger in einer Rauchergeste zum Mund. Der Junge verstand und schüttelte bedauernd den Kopf. In diesem Moment kam der verspätete Bus um die Ecke und rollte in gemächlichem Tempo auf die Haltestelle mit den zwei Wartenden zu. Der Junge kramte in den tiefen Taschen seiner Felljacke nach dem Fahrschein.

“Jetzt bist du gleich im Warmen, Henni”, murmelte Henni. Sie hatte keine Zeit sich zu wundern, warum der Bus an diesem geschäftigen Adventsabend im Innern dunkel war und ohne Passagiere zu fahren schien – und was hatten die gelb leuchtenden Buchstaben “L-E-V” in der Zielanzeige über der Windschutzscheibe zu bedeuten? Der Bus kam direkt vor ihrer Nase zu einem Halt und die Türen öffneten sich  mit einem hydraulischen Seufzen. Eine Frau in einer gelben Weste mit Reflexionsstreifen stieg aus und verstellte ihr den Weg zum Einsteigen. Die Türen des Busses schlossen sich zischend und das Gefährt verschwand in der regennassen Nacht.

“Was soll das?”, wollte der Junge wissen und stapfte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.

“Heute haben wir Leiter-Ersatz-Verkehr”, verkündete die Frau und deutete auf den Baum, an dem die leuchtende Leiter lehnte.

Türchen 4:

“Leiter-Ersatz-Verkehr??????”, fragte Henni und man konnte richtig hören, dass Henni sechs Fragezeichen angehängt hatte. Sie schüttelte den Kopf und wunderte sich nur mehr. Die  ganze Situation kam ihr etwas gar spooky vor. Doch wusste sie nun wenigstens, dass sie nicht die Einzige war, die die scheinbar in den Himmel reichende leuchtende Leiter sehen konnte.

Ihr fiel ein Stein von Herzen, weil sie seit einiger Zeit immer wieder in Situationen kam, in denen sie an ihrem Verstand zweifelte. Aber darüber wollte sie gerade jetzt nicht nachdenken. Damit würde sie sich ein anderes Mal auseinandersetzen.

Nun hatte sie ja  eine Zeugin, die auch die Leiter sah, somit konnte es mit ihrem Verstand noch nicht so schlimm sein. Wobei Henni ganz unruhig wurde, als sie die Frau etwas genauer betrachtete. Kannte sie diese Frau? Hatte sie sie schon einmal gesehen? Henni konnte nicht sagen, was es war. Aber irgendwas kam ihr an der Frau komisch und auch bekannt vor. Neben den Fragen zu der Frau waren noch die Fragen zu klären, was ein Leiter-Ersatz-Verkehr sei und wohin der Bus verschwunden war.

Wenn sie doch nur eine Zigarette hätte, das Nachdenken fiel ihr beim Rauchen immer leichter. Aber sie hatte vor zwei Monatenzu rauchen aufgehört. Sicher, sie hatte den Jungen um eine Zigarette gefragt. Doch das war eher zur Gesprächsanbahnung gedacht gewesen. Sie musste mit irgendwem reden. Henni fühlte sich total verwirrt und verloren. In ihrem Kopf sausten die Fragen herum wie die Bienen vor dem Bienenstock.

Und wieder tauchte in Henni der Zweifel an ihrem Verstand auf.

Morgen geht es weiter bei Christina vom Blog Seelenleben

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