Platz-nehmen

Die Sache mit den grauen Haaren

Von der Öko-Wäsche geht es gleich weiter zum nächsten Thema – graues Haar.

Neugier auf die Haarfarbe

In den letzten Tagen beschäftigen mich meine grauen Haare wieder einmal sehr. Seit Juni 2015 färbe ich meine Haare nicht mehr. Es gab keinen sichtbaren Auslöser für diese Entscheidung. Plötzlich war mir danach zu erfahren, wie grau ich denn schon wirklich wäre.  Nachdem ich ungefähr 30 Jahre gefärbt hatte, konnte ich mich an meine Naturfarbe schon fast nicht mehr erinnern. Lange Zeit gehörten gefärbte rote Haare einfach zu mir. So gesehen war es schon eine ziemliche Entscheidung – Gott sei Dank keine, die nicht  sehr schnell auch wieder rückgängig gemacht werden könnte. 🙂

Das Forschungsprojekt

So verging ein Monat, vergingen zwei Monate, einige Monate und es war so weit ok für mich, gut auszuhalten – spannend, ähnlich einem Forschungsprojekt. Aber nach circa 6 Monaten bekam ich einen furchtbaren Rappel. Ich kaufte mir sogar schon eine Farbe, um zu Hause auf die Minute selbst zu färben. Aber ich hielt es aus und durch. Mittlerweile sind 1,5 Jahre vergangen und die Haare sind nicht nur grauer sondern auch ziemlich kürzer geworden.

Graues Haar und die Fragen des Lebens

Die damals erstandene Haarfarbe habe ich verschenkt und ich habe ein Stück weit in mir Platz genommen. Das mag jetzt eigenartig klingen, das in mir Platz nehmen, aber genau so fühlt es sich an. Manchmal brauche ich ein Platz nehmen in meinen eigenen Entscheidungen. Nicht immer fühlen sie sich gleich gut an, manchmal braucht es mein Platzieren und Zurechtrücken. Die Entscheidung zu grauem Haar war damals eine spontane aus dem Bauch heraus getroffene, aber sie machte auch was mit mir. Es war und ist ein Prozess. Immer wieder tauchen Fragen in mir auf. Wie lange halte ich das Nichtfärben aus? Was macht es mit mir? Bin ich jetzt wirklich alt? Werde ich jetzt zur alten Weisen? Oder einfach nur als unscheinbar und unsichtbar abgestempelt?

Einfach nur graues Haar?

Ich behaupte jetzt mal selbst von mir, dass ich keine oberflächliche Frau bin. Gleichzeitig bin ich erschüttert, wie mich das Thema graue Haare immer wieder beschäftigt. Im Grunde genommen sind es doch einfach nur graue Haare, oder. Sagen sie etwas über meinen Charakter, meine Werte, meine Sicht auf die Welt oder über meine Gedanken?

In unserer westlichen Gesellschaft steht grau oft für:

Graues Haar, eine Frage des Alters?

Ok, momentan ist grau als Haarefarbe bei den Jungen gerade voll im Trend, aber nur bei denen. Die, bei denen grau schon die Naturfarbe sein könnte, vermeiden es tunlichst 😉 Bei grau als Farbe am Kopf scheiden sich die Geister, wobei grau im Kopf (= für mich bedeutet das fantasielos, mental farblos etc.) ganz normal und akzeptiert zu sein scheint. Zu meinem grauen Haar zu stehen, fühlt sich wie eine Grundsatz-Entscheidung an, so in der Richtung: “Ja, ich habe mich jetzt entschieden, als alt wahrgenommen zu werden.” Aber bin ich wirklich alt, weil ich grau trage? Oder auch mal provokant gefragt, wollen die Frauen, die bis ins hohe Alter färben, nicht alt werden – sozusagen forever young? 😀

Rebellion in grau

Wobei – ich finde grau schon fast wieder rebellisch und unangepasst, ein aus der Reihe tanzend, aufbegehrend, etwas á lajetzt erst recht. Mittlerweile mag ich mich gerne mit grauen Haaren. Ich kann mich gut damit identifizieren und im Spiegel ansehen. Die bad hair days bleiben mir zwar trotzdem nicht erspart, aber zumindest brauche ich wegen dem Nachwuchs nicht mehr “hysterisch” werden. Und ob mich die grauen Haare alt aussehen lassen, ist wohl eine Frage des Geschmacks und worauf ich bei der Beurteilung von “alt aussehen” den Fokus lege. Das liegt im Auge der Betrachtenden.

Gerade kann ich mir wieder gar nicht vorstellen, meine Haare zu färben. Aber da halte ich es mit –  frei nach Pipi Langstrumpf: “Ich mach mir mein Haar, wie es mir gefällt.” Und falls ich mich morgen fürs Färben entscheide, ist das auch vollkommen in Ordnung.

In diesem Sinne – grau ist das neue Bunt. 🙂