Platz-nehmen

Der Weg ist mein Ziel – Boarischer Entschleunigungsweg

Ich, die Platz-nehmerin war wandern.

Grundsätzlich ist das ja nichts Besonderes, viele Menschen gehen wandern, um den Berg herum, auf den Berg hinauf oder in die Höhle.

Ich mag es eher gemütlich, langsam und um mich schauend. Mittlerweile habe ich mir (wieder) angewöhnt, wie ein kleines Kind spazieren zu gehen, wahrnehmend und staunend. Das tut einerseits meiner Seele gut und andererseits lenkt es von meiner fehlenden Kondition ab 😉 . Sozusagen auch etwas gemütlich, bayerisch. Und da war ich auch – in Bayern, in Aschau im Chiemgau. Damit das Klischee noch klischeehafter wird, spazierten wir den Boarischen Entschleunigungsweg ab.

Das Auto ließen wir am Parkplatz bei der Festhalle und dann ging es zum Startpunkt. Es ist schon mal ein Stück bis zum Anfang des Weges. Gott sei Dank gab es da schon das erste Bankerl zum Niederlassen. Doch vorher lasen wir uns noch die mehr oder weniger 10 Gebote zur Begehung des Weges durch, waren begeistert wie liebevoll all das Plakat gestaltet ist und machten es uns in Folge gleich eben auf dieser ersten Bank gemütlich.

Von mir aus hätten wir gleich dort bleiben können, die Bank war einfach so chillig und der Blick in den Himmel so beruhigend, dass mir schon mal die Augen zufielen und mich die Entschleunigung schon fast überholte.

Gott sei Dank treibt mich fast nichts so sehr wie meine Neugierde und so ging es dann nach dieser ersten Pause weiter.

Es gibt 10 verschiedenen Stationen, wo es immer etwas zu tun gibt, von körperlicher Bewegung, übers Denken bis hin zur Entspannung. Alles ist gewürzt mit einer Brise bayerischen Humors, den auch wir „Ausländerinnen“ verstehen und auch ein Fitzelchen von Nachdenklichkeit.

Über die Nachdenklichkeit habe ich ja schon ein „Am Bankerl“ verfasst.

Es macht die Mischung – Natur, Humor, Bewegung, Nachdenken. Ins Ofenrohr schauen, sich fürs Leben bedanken und dann noch neben einem Mammut Platz-nehmen, das ist schon eine All inclusive Mischung, die es in sich hat. 🙂

Nach so viel Aufregung ließen wir uns dann auf der Himmelsliege nieder, den Blick in die Wolken, die sich viel schneller bewegten als wir uns beim Meditieren. Auch hier hätte ich ewig verweilen können.

Sogar eine Schoastromme-Bank gibt es in Aschau, die mich an jemanden erinnerte, dessen Lieblingsschimpf-Wort „so a Schoastromme“ war.

Jede Bank war für die Platz-nehmerin also für mich gut geeignet und bestand meinen Sitz-Test mit Bravour. Es gab schon das eine oder andere Bankerl, das ich gerne zu Hause hätte, jedoch ist dafür mein grüner Schuhkarton sprich Garten nicht besonders geeignet – nämlich aufgrund der Größe bzw. besser gesagt Kleinheit meines “Kartons”. Und für meinen Favorit, die Himmelsliege fehlt mir einfach noch der vom Alter her notwendige, passende Baumbestand. 🙂

Der Rundweg kann mit Kinderwagen begangen werden, es gibt einige kleinere Anhöhen, aber für alle die sportlicher sind als ich (und das sind die meisten) ist das gut zu schaffen. Ich rate davon ab, diesen Weg im Hochsommer bei schönem Wetter am Nachmittag zu gehen, da es gemäß dem Sonnenstand wenig Schatten gibt. Darum empfehle ich den Weg eher am Vormittag oder eben im Frühjahr/Herbst am Nachmittag zu gehen.

Wir wanderten dann von der Endstation bei Pölching noch weiter Richtung Aschau Zentrum und zurück zum Parkplatz. Es waren also doch einige Kilometer zusammen gekommen! Auf diesem Rückweg stellte ich fest, dass in Aschau viele besondere Bänke herumstehen. Ich bin also sozusagen im Platz-nehmen-Paradies gelandet 🙂 . Nach Recherche bei Dr. Google weiß ich nun, dass Aschau i. Chiemgau den rechtlich geschützten Namen Bankerldorf trägt. Es gibt sogar eine Bankerl-Liste dazu. Außerdem findet Ihr sogar ein PDF-Datei mit den genauen Informationen. Boarischer-Entschleunigungsweg

Neben den Bänken gibt es in diesem Ort noch viele schöne gepflegte Häuser und Gärten mit liebevollen Details zu bewundern.

Zum Abschluss wollten wir dann noch das Blumencafe Aschau besuchen, das mir vom letzten Ausflug noch in guter Erinnerung war. Doch hatte uns die Wanderlust die Zeit übersehen lassen und wir standen vor verschlossener Tür.

Aber es wird ein Wiedersehen in Aschau geben.

PS: Und wem das alles zu gemütlich ist, der kann ja vorher oder nachher noch auf die Kampenwand klettern. Ich habe mir das erspart! Wobei – es gibt ja auch eine Bahn hinauf, da würde ich schon mal mit mir reden lassen. 🙂